Mittwoch, 26. August 2020

Von Byxelkrok nach Kalmar

First class sailing Richtung Kalrmar


Faszinierende Wolkenbilder und tolle Sonnenreflektionen lassen mich immer wieder zur Kamera greifen und spiegeln meine eigene Stimmung ziemlich perfekt wieder

Leuchtturm Sillasen kurz vor der Kalmarsundbrücke



 

Dienstag, 25. August 2020

Für heute ist Südwest mit leichter Drehung auf West angesagt, 15 kn, in Böen auch schon mal mehr. Als ich um kurz nach 9 um die Mole an der Hafenausfahrt biege, erschreckt mich ein Patrouillenboot der schwedischen Marine. Zurückfahren? Ich entscheide mich für weiterfahren und der Steuermann hat ein Einsehen und geht hinter mir vorbei, fährt einen Bogen um mich rum und tutet zum Abschied noch einmal kurz: aha, er ändert seinen Kurs nach Steuerbord und zieht mit ausreichendem Abstand vor meinem Bug vorbei.


Inzwischen sind auch die Segel obe
n und wir sind auf Kurs.

Als Blå Jungfrun schon ein Stück weit achteraus liegt, ziehen zwei Fregatten mit full speed Richtung Norden. Am Himmel sind auch noch ein paar Jets zu sehen. Ob sich die Schweden am allgemeinen Säbelrasseln in der Ostsee beteiligen?

Der Wind weht unterschiedlich stark und meist aus WSW, so dass ich zumindest Borgholm anliegen kann. Mal geht es nur mit knapp 3 kn, dann aber auch mal mit über 6 kn Richtung Süden. Zwischendurch wird sogar mal kurz ein Reff fällig, aber schon nach knapp einer Stunde kann ich wieder Vollzeug fahren. Vor Borgholm muss ich dann doch mal einen Holeschlag von knapp 3 sm einlegen, um nicht auch noch das letzte Grad Höhe auf Kosten von Bootsspeed herausquetschen zu müssen. In Luv von mir hampelt eine Hallberg Rassy unter Schweizer Flagge seltsam rum. Erst fahren sie vor dem Wind mal Richtung Sandvik, dann wird die Fock eingerollt, 180 ° Kehrtwendung, Großsegel runter und anschließend weit in Luv mit langsamer Fahrt unter Motor auf Parallelkurs. Kurz vor dem Leuchtturm Sillåsen kreuzen sich unsere Kurse. Sie fahren auf der Backbordseite durch das breite Fahrwasser, ich jedoch weiter geradeaus durch das gut betonnte und ausreichend tiefe (immerhin mind. 5 m) Fahrwasser Richtung Kalmarsundbrücke, inzwischen mit fast halbem Wind und immer deutlich über 6 kn. Die Kalmarsundbrücke wird schnell passiert, kurz danach geht die Fock runter und eine knappe Meile weiter kann ich schon nach Steuerbord in den Hafen von Kalmar einfahren. Das übliche Prozedere wie Großsegel runter, Festmacher klarlegen und Fender anbinden sind schnell erledigt und wenige Minuten später hänge ich an der Heckboje, während zwei freundliche polnische Segler sich um meine Vorleinen kümmern. 49 sm waren es insgesamt, davon 3 sm für einen kurzen Holeschlag auf Steuerbordbug. Langweilig? Nein, keineswegs. Segelreffen, ausreffen, aufmerksames Steuern auf dem Amwindkurs, Kurskontrolle, Kartenwechsel, zwischendurch mal ein Brot schmieren, Tee zubereiten… nein, Langeweile kam nicht auf! Zum Schluss, kurz bevor es dunkel wird, noch einmal kurz bis zum Schloss fürs Tagesfoto und anschließend zurück an Bord zum Essen und Abendausklang mit einem Glas Wein.



Kalmar Schloss im letzten Tageslicht - die Wolken kündigen schon mal den Regen an

Montag, 24. August 2020

Von Gotland nach Öland mit kurzem Abstecher in die Schären

 

Die Bilder vom letzten Blogeintrag stammen aus dem letzten Hafen auf der Ostseite Gotlands, Vändburg. Die Überlegungen, wohin man von hier aus segeln kann, gehen in verschiedene Richtungen: Erst noch mal um die Südspitze zum Hafen von Burgsvik, und dann auf die Ostseite Ölands? Die Häfen dort sehen nicht sonderlich attraktiv aus. Gleich Richtung Ölands Södra Udde, also der Südspitze? Bei südwestlichen Winden genau gegenan. Oder doch um die Nordspitze von Öland?

Zwischenzeitlich hat sich aber ein kleines Windfenster mit Ostwind geöffnet, den wir ausnutzen, um doch noch Burgsvik als Zwischenstation einzubauen. Überraschenderweise bietet der Hafen hervorragende Bedingungen. Von der sehr mitteilungsfreudigen Hafenmeisterin – im übrigen Volontärin – erfahre ich, dass statt des vorgesehenen Verkaufs an einen kommerziellen Betreiber es gelungen ist, durch eine umfassende, umweltfreundliche und vorsichtige Planung und Unterstützung durch EU-Mittel den Hafen in eine der 34 SMART-Marinas in Schweden umzuwandeln. Der neue Betonschwimmsteg mit Platz für ca. 30 Boote ist gerade erst Ende Juni fertig gestellt worden und die Sanitärräume kann man nur als erstklassig bezeichnen.


Emaloca und Motivatie am neuen Betonsteg in Burgsvik. 

Leider haben die Möwen es wohl missverstanden: das ist ein Anlegesteg für Boote und keine Möwentoilette! Man kann bestenfalls versuchen, die frischen Hinterlassenschaften nicht zu treffen!

Außerdem gibt es in Burgsvik einen erstklassig sortierten ICA Supermarkt, außerdem in einer Grönsakerbod (Gemüsehütte) Tomaten und Gurken. Einheitspreis 45 Kronen pro Kilo. Bedienung gibt es nicht. Man wiegt selber ab, trägt das Ergebnis in eine Kladde ein und wirft den zu zahlenden Betrag in eine Blechkiste. Schön, dass es hier noch so viel Vertrauen gibt!

Die Hafenmeisterin hatte u.a. auch erzählt, dass Schwedens derzeit populärste Fernsehserie in Burgsvik, nämlich im dringend zu empfehlenden Restaurant und Hotel „Grå Gåsen“ (zu deutsch Graugänse) gedreht wird.

Dank Ankes Bereitschaft, mir ihr Fahrrad auszuleihen, ist der Besuch des ca. 2 km entfernten ICA und entsprechend üppigem Einkauf ein Kinderspiel. Später am Nachmittag unternehme ich dann doch noch einen Spaziergang zum „Grå Gåsen“, wo der Koch gerade zwei Lämmer über dem offenen Holzfeuer grillt und ab und an mit einer Marinade bestreicht, wofür er einen Büschel aus Rosmarin- und Thymianzweigen verwendet. Natürlich werden diese beiden auf der Unterseite längs aufgeschlitzten Lämmer nicht auf Verdacht, dass ausreichend Gäste erscheinen, gegrillt. Vielmehr ist eine geschlossene Gesellschaft angesagt. Keine Chance, hiervon etwas ab zu bekommen!





Am Abend sitzen wir zusammen an der Hafensauna mit Blick auf die Ostsee, genießen ein wenig Rotwein, Brot und Käse und genießen wieder mal einen großartigen Sonnenuntergang. Auch wenn es vielleicht langweilig werden sollte: Hier ist er!


Inzwischen schreiben wir den 21. August. Ich muss mir wohl langsam mal Gedanken darüber machen, wie ich den Rückweg Richtung Kappeln antrete.

Nach einem Tag Pause, an dem auch der Wind mal wieder Pause macht, geht es schließlich doch weiter zur Nordspitze von Öland. Die Bucht Grankullaviken ist das Ziel. Emaloca ist natürlich mal wieder deutlich vor mir unterwegs, aber da ist wohl auch erst mal nur mit dem Volvo-Wind zu arbeiten. Als ich nach dem Ablegen die Segel oben habe, komme ich gerade mal mit knapp 3 kn von der Stelle. Bei rund 45 sm Tagesdistanz muss bei mir auch erst mal das Kolbensegel, sprich der Yanmar-Wind, ran. Erst nach einer Stunde regt sich etwas mehr als das bisher nur laue Lüftchen. Die Fock geht runter, der Spi hoch. Während das Sumlog anfangs trotz der großen Blase gerade mal 4 kn anzeigt, wird es sukzessive immer besser. Der aus südlicher Richtung kommende Wind lebt auf. Weit, weit vor mir ist ein Segel zu erkennen. Das muss wohl Emaloca sein. Obwohl das Sumlog inzwischen auch mal die 7 kn anzeigt, dauert es doch noch bis 15:10 Uhr, als ich Emaloca einhole und anschließend auch überhole. Es gibt schöne Bilder von der Motivatie unter Spinnaker, aber auch gute Bilder von der Emaloca. Es ist ja bekanntlich immer etwas besonderes, schöne Bilder vom eigenen Boot unter Segeln zu bekommen. 





Zum Schluss wird es dann noch interessant. Der Wind legt gefühlt noch mal zu und Motivatie stürmt mit 7,5 kn, im Surf auch schon mal mehr, Richtung Lang Erik, dem Leuchtturm an der Nordspitze von Öland. Der Rest ist dann schnell erzählt: Spi runter, nur unter Großsegel in die Einfahrt von Grankullavik, im dot ruhigen Wasser Großsegel runter, Ankerplatz auf der Luvseite aussuchen, Anker auf 3,50 m Wassertiefe, fertig. Nachdem die Persenninge auf den Segeln sind, gönne ich Motivatie noch eine Reinigungsaktion mit Meerwasser, dann ist auch Feierabend. Ein weiterer phantastischer Sonnenuntergang lässt den Abendhimmel förmlich erglühen. Und als die Sonne vollends untergegangen ist, zeigt sich am Abendhimmel eine wunderschöne Mondsichel des gerade erst im Anfangsstadium befindlichen zunehmenden Mondes, begleitet von einem mal nicht durch Streulicht gestörten Sternenhimmel. 


In der Nacht hat es irgendwann bereits geregnet. Auch der Morgen ist grau, der Regen lässt nicht lange auf sich warten. Gerd und Anke wollen an eine Schäre, Lilla Vippholmen, ca. 18 sm in nordwestlicher Richtung. Dort könnte man zum Abschied noch mal schön grillen, bevor ich mich auf die Rückreise Richtung Süden machen. Ich warte noch eine besonders kräftige Schauer ab, schmeiße mich in mein volles Ornat, d.h. Ölzeug, Stiefel, Rettungsweste. Eigentlich viel zu warm, aber wenn man erst mal durchnässt ist, ist das Frieren auch nicht mehr weit! Natürlich gerate ich schon beim Anker aufholen ins Schwitzen. Rund 25 m Kette + 12 kg Anker müssen erst mal hoch. Da ist das anschließende Segelsetzen ein Kinderspiel! Bei dem schönen Südwestwind und einem Windeinfallswinkel von rd. 60 ° ist es trotz zwischenzeitlicher Regenschauer ein Genuss, die durch die Wellen voranstürmende Motivatie zu steuern. Segeln at it’s best!

Die Kardinaltonne Bläckan ist schnell erreicht. Den Leuchtturm auf Vinö Bredhäll knapp an Backbord lassen, um der bis auf 1 m Wassertiefe aufragenden Felsspitze an Steuerbord zu entgehen, der Rest ist Genuss pur! Ich nehme einen intensiven Duft der Kiefernwälder war, den ich bisher so noch nicht erlebt habe. Das Eintauchen in die Schärenwelt ist wieder eine total andere Erfahrung als die der letzten beiden Wochen auf Gotland. Ich genieße es in vollen, gleichwohl stillen Zügen, an den Granitbrocken entlang zu segeln. Bis Vippholmen ist es nur noch eine knappe Meile. Eine sich nach Backbord öffnende Bucht lädt förmlich dazu ein, hier in Ruhe das Großsegel zu bergen. Nach einer weiteren Viertelstunde biege ich in Richtung Lilla Vippholmen ab, wo ich mit Gerds Unterstützung einen perfekten Platz am Felsen finde, nachdem kurz vorher der Heckanker fallen gelassen wird.

 




Motivatie nicht on sonder at the rocks


Gegen Abend packt Gerd den Grill aus und hat dafür einen wunderschönen Platz oben auf der Schäre ausgesucht. Auf der einen Seite liegen Emaloca und Motivatie, auf der anderen Seite diverse andere Segler, die sich im Laufe des Samstagnachmittages dort eingefunden haben. Spätestens beim Blick über die Bucht in der wunderschönen Abendsonne begreift man, warum diese Bucht unter den schwedischen Seglern „Paradiesbucht“ genannt wird.

Wir genießen einen wunderschönen Grillabend. Das noch von Gotland mitgebrachte Lamm wird von Gerd perfekt gegrillt. Dazu Kartoffeln, Salat, Gemüse und Anke hat sogar noch einen Nachtisch gezaubert. Das Ganze wird zum Schluss noch gekrönt von dem von Gerd kredenzten und hervorragenden Calvados. Was fehlt einem mehr zum glücklich sein?

Am nächsten Morgen ist dann der Abschied nicht mehr zu vermeiden. Anke und Gerd wollen heute noch bleiben; ich will den guten und in Böen durchaus kräftigen Wind nutzen, um im Kalmarsund ein Stück weiter nach Süden zu kommen. 

Nachdem Leinen und Fender verstaut sind, der Heckanker gesichert ist, fahre ich erst mal nur unter Fock und bin erstaunt, dass auch allein damit bei dem glatten Wasser schon 5 kn drin sind. Trotzdem geht in einer sich nach Steuerbord öffnenden Bucht das Großsegel hoch, wird aber sehr schnell mit einem Reff versehen, denn schon in der Abdeckung und bei glattem Wasser krängt das Boot stark und macht trotzdem knapp 7 kn. 


Sieht so eigentlich ganz harmlos aus!



Das kann draußen nicht gut sein. Hinter der Kardinaltonne Bläckan geht es auf Backbordbug so hoch wie möglich an den Wind. Das Reff war sehr richtig und trotzdem machen wir immer noch gut 6 kn, manchmal auch noch mehr. Die Welle nimmt sukzessive zu, ab und an muss ich mich hinter dem Sprayhood wegducken, um nicht die volle Dusche ab zu bekommen. Auf der Höhe von Byxelkrok ist die erste Wende angesagt; auf Steuerbordbug läuft es nicht ganz so gut; daher wird auf dem halben Weg Richtung Blå Jungfrun wieder gewendet. Der Wind hat noch mal zugelegt auf 6 – 7 Beaufort, die Welle auch. So weiter bis Borgholm? Sicher nicht. Selbst Sandvik als Hafen zwischendurch ist noch Stunden entfernt. Zähneknirschend muss ich einsehen, dass es wohl besser ist, nach Byxelkrok abzulaufen. Das hätte ich vor 1 ¼ Stunden auch schon haben können. Aber na ja. Byxelkrok war eigentlich immer ganz nett und der Hafen soll sich ja auch deutlich verändert haben.

Im Hafen angekommen, bin ich doch überrascht: ganze 2 Boote liegen hier! Später kommt noch ein weiteres Boot rein. Damit insgesamt 4! Der erweiterte Hafen bietet immerhin Platz für 70 Schiffe!



Alte Windmühle südlich von Byxelkrok Hafen 

Seezeichen in einer Hütten am Hafen

Flagge von Götland - der historischen Jagdinsel der schwedischen Könige!


Heute ist Hafentag angesagt. Es weht immer noch so wie gestern. An Auslaufen ist nicht zu denken. Der Tag vergeht mit Spaziergängen, Einkaufen, Aufräumen und gründlicher Reinigung des Vorschiffes, das es mal wieder nötig hat. Am späten Nachmittag mache ich mich noch mal auf den Weg in nördlicher Richtung. Knapp 3 km nördlich vom Hafen liegt „Neptuni Åkrar“: ein aus Korallen bestehendes Kalksteinplateau knapp über dem Meeresspiegel. Es würde Mühe bereiten, mal nicht auf Fossilien zu wandeln. 




Hier noch ein paar Bilder von meinem vormittäglichen Spaziergang







Saunahütte am Steinstrand



Die Abendsonne taucht den Himmel mal wieder in bezaubernde Farben. Allein die Silhouette vom Kernkraftwerke Simpevarp stört etwas die Harmonie. 
Obwohl - als Wortspiel: Strahlende Werke vor dem Abendhimmel

Montag, 17. August 2020

Weiter entlang Gotlands Ostküste

 Dieses Mal gibt es quasi keinen Text. Viel sollen die Bilder für sich sprechen!


Das Anwesen von Hakan Nesser, dem bekannten schwedischen Krimiautor, auf der Insel Furillen


Sieht er nicht ein wenig aus wie Homer von den Simpsons? Raukar auf Fiaugen

Noch mehr kleine Raukar auf Fiaugen



Die Schafe nehmen Reißaus vor mir! Dabei bin ich doch auch nur ein Steinbock!!!


Hier ist die enorme Abbaufläche für Kalkstein auf Fiaugen zu sehen. Beachtliche Mengen! Dabei wurde der Abbau schon 1920 eingestellt!



Altes Rettungsboot der "Sjöredning" (schwedische Variante der DGzRS) in Herrvik. Wird aber nur noch für Ausflugsfahrten entlang der Küste genutzt


Wieder mal ein malerischer Sonnenuntergang - hier in Herrvik



Schöner rot-weiß-geringelter alter Leuchtturm (aber noch in Betrieb) auf der Halbinsel vor Närshamn



Im Hafen von Närshamn - alter Fischerhafen, aber von Fischern war nicht viel zu sehen


Die nächste Nacht mal wieder vor Anker in der Bucht vor Faludden


Glattes Wasser, in dem sich sogar die Ankerkette und der Bug von Motivatie spiegeln



Nur spiegelglattes Wasser und die Begleitung von Anke und Gerd von der Emaloca ermöglichen diese Bilder. Danke für diese tollen Fotos!



Morgens um 6 Uhr - da lag ich noch im Reich der Träume. Wieder mal ein wundervolles Foto von Gerd



Auch in Vändburg gibt es südlich vom Hafen Raukar. Nicht so groß und nicht so spektakulär wie auf Farö, aber ohne konkreten Größenvergleich fällt das ja nicht mal auf!


Dank Besorgung von "Lammskött" durch Gerd und Anke und nicht zuletzt Gerds Grillkünsten gibt es ein hervorragendes Lamm-Entrecote vom Grill und dazu natürlich einen leckeren Rotwein - natürlich "on the rocks"







Viel von Gotland wird jetzt vermutlich nicht mehr kommen. Dank reichhaltiger Steinvorkommen war diese "Steinsetzung" schnell erledigt

Sonntag, 16. August 2020

Was haben Raukar, Ingmar Bergman und ein alter Rock`n Roll-Drummer gemeinsam?

 

Donnerstag, 6. August 2020

 

Nachzutragen sind noch die Jungfrauen: hier Nr. 1 - Bla Jungfrun vor Öland

Um 9:15 Uhr geht der Anker hoch, viel Seegras bzw. sonstiges Grünzeugs hängen an Ankerkette und Anker. Da heißt es gleich erst mal wieder die Ankerrolle sauber machen. Nach der Ausfahrt aus der Bucht wird das Großsegel gesetzt. Der Wind – auch noch aus Südwest - könnte besser sein. Kommt zudem auch noch genau von achtern. Da ist das mit dem Vorwärtskommen eh schon schwieriger. Also gleich den Blister – geschotet als Spinnaker – gesetzt. Nachdem die Nordspitze Ölands bereits deutlich hinter uns liegt, dreht der Wind weiter auf Süd und da wir auch aus der Abdeckung raus sind, legt er etwas zu. Der Druck auf dem Spibaum und der Zug auf dem Achterholer ist schon ziemlich heftig. Also schnell wieder zum Blister umbauen. Damit erreichen wir zumindest schon mal 6 kn, zeitweise auch mehr und auch die 7 lässt sich ab und an blicken. Erst kurz vor Erreichen des Leuchtturms Stenkyrkehuk und nochmaligem Umschoten zum Spinnaker lässt die Fahrt dann doch deutlich nach. Anke und Gerd von der Emaloca warten schon, haben eine Zeitlang die ankommenden Boote von der Huk aus beobachtet, aber ich war noch nicht dabei. Ich ziehe noch unter Segeln eben am Leuchtturm vorbei, aber dann geht die Fahrt auch schnell unter 4 kn und der Diesel muss zu Hilfe kommen.

Nach 9 ½ Stunden und 56,5 sm ist der Hafen von Lickershamn, auf dessen Mole Gerd und Anke schon stehen und mir zuwinken erreicht. Mit ihrer Hilfe ist schnell angelegt. Die freudige Begrüßung fällt natürlich coronamäßig aus, schmälert aber keineswegs die Freude über das Wiedersehen.

Zudem liegt Ankes Cousin Ernst mit seinem Schiff „La Siesta“, das seinen Heimathafen in Västervik hat, ebenfalls im Hafen und so lerne ich noch mal neue, sehr nette und interessante Segler kennen. 

 

         Jungfrau Nr. 2: Raukar Jungfru bei Lickershamn auf Gotland

Freitag, 7. August 2020

Erst mal jedoch steht eine Wanderung zur Jungfru an. Von dort aus führt ein gut markierter Weg immer entlang der Küste und größtenteils durch Wald bis zum Leuchtturm Stenkyrkehuk, den ich auf der Wasserseite bei meiner Ankunft per Boot schon passiert hatte. Zwischendurch gibt es immer wieder spektakuläre Klippen, von denen man eine phantastische Aussicht hat. Hier muss man einfach mal nur da sitzen und schauen und genießen. Man sitzt hier ca. 30 m über dem steinigen Strand und lässt sich von der angenehmen Brise etwas abkühlen, denn die Temperaturen sind doch beachtlich. 

In Leuchtturmnähe gibt es einige Wohnhäuser, vermutlich als Ferienhäuser genutzt. Zumindest sprechen hierfür die am steinigen Strand stehenden Hütten mit ein paar Ruderbooten, die ich nach einem steile Abstieg vorfinde. Natürlich geht es mal wieder nicht zurück, ohne ein paar mir besonders schön erscheinenden Steine mitzunehmen. Die ebenfalls am Strand herumliegenden flachen Kalksteine sind mit unterschiedlichsten Fossilien übersät. Man findet versteinerte Schnecken, Ammonite, Muscheln gleich haufenweise, röhrenförmige Gebilde und sogar Korallenstrukturen. Man ist geneigt, vieles davon mitzunehmen, aber die Kapazitäten meines Rucksackes und meine Bereitschaft, gleich kiloweise Steine auf dem Buckel zurück zum Boot zu schleppen, sind dann doch begrenzt. Also beschränke ich mich aufs Fotografieren und damit haben auch andere Besucher noch die Chance, diese Fundstücke zu bestaunen.

Auf dem Rückweg scheint der Rucksack sukzessive an Gewicht zuzulegen. Am Ende bin ich froh, mich im wunderbaren Wasser im Hafenbecken abzukühlen und ein frisches T-Shirt überzuziehen.

Der Abend im Restaurant am Hafen mit Gerd und Anke von der „Emaloca“ und Ernst und Ingrid von der „La Siesta“ beginnt erst mal mit dem Studium der für uns etwas schwer zu verstehenden Speisekarte. So dauert es ein wenig, bis wir uns zwischen den verschiedenen Tapas, die man zu Hauptgerichten kombinieren kann, entschieden haben. Es ist zwar alles ein bisschen anders als man es in einem normalen Restaurant gewohnt ist, jedoch sehr schmackhaft. Und die Krönung ist die „White Pizza“. Wir beschließen, den Espresso und den/die Absacker bei mir an Bord einzunehmen. Es wird noch ein geselliger Abend, in dessen Verlauf man sich ein wenig besser kennen lernt.

             Und gekrönt wird das Ganze von einem großartigen Sonnenuntergang!


Der nächste Tag wird richtig heiß! Ich darf Ankes Fahrrad nutzen, um zum ca. 2 km entfernten Tempo-Markt zu radeln und meine Einkäufe zu tätigen, um die Vorräte insbesondere an frischen Sachen aufzufüllen. Gerd brieft mich vorher aber noch, dass es da eine Kirche zu besichtigen gibt und ein Grab aus der Bronzezeit, das man nicht verpassen sollte. Erst mal geht es bis zur Kirche, die von außen recht nichtssagend aussieht. Aber wenn man erst mal reinkommt! Ein Organist sitzt an der Orgel und spielt moderne Stücke (die eines bekannten estnischen Orgelkomponisten), Die Wände und Decken sind mit uralten Fresken verziert. Vom Organisten erfahre ich, dass die seher schön klingende Orgel von 1789 datiert und ursprünglich einer Stockholmer Kirchengemeinde gehörte und später an die kleine Kirche verkauft wurde. Am Mittwochabend gibt es ein Konzert mit Werken unterschiedlicher Komponisten (u.a. besagtem Komponisten aus Estland, aber auch klassische Werke z.B. von Mendelssohn). 



Beeindruckend sind die vielen alten Fresken, mit denen Wände und Decken verziert sind. 

Natürlich statte ich anschließend auch dem Grab aus der Bronzezeit einen Besuch ab, das auch allein aufgrund der Gestaltung als Wagenrad mit vielen aus Steinen gelegten Speichen und natürlich des beträchtlichen Alters beeindruckend ist.

Die Hitze macht mir doch zu schaffen und ich bin froh, mich im Hafenbecken wieder abkühlen zu können. Zu weiteren Aktivitäten kann ich mich nicht aufraffen, bereite lediglich noch einen Salat für heute Abend vor, denn Gerd hat Lammhackfleisch mitgebracht, die – zu Lammburgern oder auch „Lyckershamnburger“ – verarbeitet auf den Grill sollen. Der Abend vergeht wie im Flug. Wir haben so ca. 10 m Mole belegt, genießen die Lyckershamnburger mit dazu passenden Getränken und genießen einen zum krönenden Abschluss einen phänomenalen Sonnenuntergang.



Sonntag, 9. August 2020

Heute geht es wieder weiter. Gerd und Anke wollen nach Lauterhorn auf Farö, das auch mein Ziel ist. Ernst und Ingrid wollen zurück an die schwedische Ostküste. Bei mir wird es mal wieder 11:30 Uhr, bis ich die Leinen loswerfe. Der schwache Nordwestwind reicht anfangs noch für 3,5 kn, auch schon mal mehr, lässt dann aber wieder nach, so dass ich den Blister setze. Auch damit geht es nicht lange gut, und schließlich müssen doch wieder die Kolbensegel ran. Erfreulicherweise kommt der Wind dann aber doch wieder zurück, so dass ich den Rest unter Segel zurücklegen kann. Am Ende habe ich für die etwas mehr als 22 sm fast fünf Stunden gebraucht.

Montag, 10. August 2020

Gerd und Anke hatten gestern schon eine erste Erkundungstour auf ihren Fahr­rädern gemacht. Ich mache mich nach dem Frühstück auf den Weg zum 1,7 km entfernten Cykeluthyrning (Fahrradverleih). Mein letzter 100 Kronen-Schein wechselt den Besitzer und schon ist ein Fahrrad mit 3-Gang-Schaltung meins. Schlüssel darf ich irgendwann abends in den Briefkasten werfen, Zeitpunkt ist egal.

Natürlich folge ich der Beschilderung „Raukomrade“. Bereits nach einer kurzen Strecke, vielleicht 2 km, kommen an der Backbordseite die ersten Raukar in Sicht, die ich nicht nur sehen, sondern auch besteigen, erklimmen und erfahren will. Bei den Raukar handelt es sich um Kalksteinfelsen, die durch Wind und Wasser teils sehr skurrile Formen angenommen haben. 



Negerkopf am Digerhuvud

Nachdem ich mich eini­germaßen „ausgetobt“ habe, will ich die Weiterfahrt antreten. An der Tisch-/Bankkombination, an der ich mein Fahrrad abgestellt habe, sitzt ein junges Pär­chen und genießt ein kleines Picknick. Auf meine Bemerkung, dass ich sie jetzt auch vom Fahrrad befreie, folgt nur ein: „Das hat überhaupt nicht gestört, aber setz dich doch zu uns! Möchtest du auch ein Brot?“ Erst mal bedanke ich mich und lehne ab, aber nach der nochmaligen Aufforderung, mich doch zu ihnen zu setzen, fände ich es fast schon als unhöflich, ihrer Einladung nicht zu folgen. Wir unterhalten uns wie so üblich über das woher und wohin und scheinen ziemlich auf einer Wellenlänge zu liegen. Sie beide sind Kiter, allerdings der besonderen Art, weil sie auf Foils unterwegs sind. Der wirklich sehr schmackhafte Imbiss ist schon fast nebensächlich, und die knappe halbe Stunde, die ich dort verbringe, vergeht wie im Flug. Am Ende verabschiede ich mich von den beiden – Mats und Miriam – fast wie von gutem Bekannten. Sie beide müssen bald nach Göteborg in ihre Berufe zurück, während ich weiter per Segelboot meine Reise fortsetzen kann, ein wirkliches Privileg, dessen Wert mit gerade in diesen besonderen Zei­ten immer mehr bewusst wird.

Nach dem Raukomrade gibt es noch eine alte Fischeransiedlung, die ich mir ansehen.

 

Den Weg nach Langhammeren, der zudem eine Einbahnstraße ist, erspare ich mir. Dem Gotlandsleden (Gotlandweg) folgend geht es in das mittlere der Insel, das sehr agrarisch geprägt ist. Ich fühle mich mehrmals quasi „in the middle of nowhere“, setze aber den Weg weiter fort, bis ich an den Farögarden gerate, ein einladend aussehendes Restaurant mit Außengastronomie. Ein Blick auf die Speisekarte und schon ist es um mich geschehen! Einmal Pulled Lamm­hamburger, dazu ein Wasser und ein Bier. Sehr lecker und nett angerichtet. Diese Pause hat echt gut getan.

Als ich mich wieder auf den Weg mache, um die Weiterfahrt zum Suderstrand anzutreten, kommen gerade Gerd und Anke angeradelt. Ihr Ziel ist auch der Suderstrand und so schließe ich mich mal wieder gern an. Am Suderstrand sind wir erschlagen von dem regen Strandleben. Man kommt sich fast wie in Süd­europa vor: Buden, viele Schirme, eine Eisbar, selbst Massage und Yoga sowie Surfen und Stand-up-Paddling sind im Angebot. Gerd und Anke leisten sich ein Eis, ich selbst bin vom Hamburger noch so satt, dass ich lieber auf ein Eis ver­zichte.


Unsere Weiterfahrt führt uns an Bauernhöfen, die in der typisch gotländischen Art mit Schilf gedeckt sind, sowie alten Windmühlen vorbei, bis ein Café auf der linken unsere Aufmerksamkeit erregt. Es sieht sehr urig aus, zudem stehen viele vor sich hin rostende amerikanische Oldtimer dort rum. Da müssen wir rein! Ich lade die beiden zu Kaffee und Kuchen ein, wobei Anke lieber einen Tee nimmt und auch auf den Kuchen verzichtet. Der Tee ist zwar ein ziemlicher Reinfall, aber die Kuchen sind extrem gut und würden einem Spitzenkonditor gut zu Gesicht stehen. Das Café liegt an einer wunderschönen Bucht, die bei westlichen Winden sicherlich auch gut für eine Nacht vor Anker wäre.


Aber es kommt noch besser! Ich erinnere mich an die skurrile Tankstelle, in der vor Jahren eine Elvis-Revival-Band aufgetreten ist. Wilfried und Astrid Erdmann haben sie letztes Jahr auch besucht und in den höchsten Tönen davon geschwärmt. Und der ehemalige Drummer der Band soll immer noch vor Ort sein und ggfs. sogar der Eigentümer dieser außerordentlich ausgefallenen Location sein. Ich stehe noch vor einem der etwas jüngeren Oldtimer, als mich einer anspricht und meint: Den Motor von der Karre haben wir komplett zerlegt, gereinigt und wieder neu zusammen gebaut. Und jetzt läuft er wieder. Bald wird die Kiste auch wieder fahren. Es ist ein total hagerer Typ, ein lustiges Käppi mit Brokatverzierungen auf dem Kopf, das Hemd bis zum Bauchnabel geöffnet. Ich bin total erstaunt und meine, jetzt musst du nur noch sagen, du bist der ehemalige Drummer dieser Revivalband! „Exactly, that’s me! If you go over there and pass the old oil barrels you’ll find the entrance to the bar. Just have a look!“ 


Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Gerd und Anke kommen auf meinen Hinweis, dass man sich das ansehen müsste, mit. Die Hütte ist erstaunlich klein. Gegenüber der Bar befindet sich die Bühne, die bestenfalls 8 x 4 m misst. In dem Halbdunkel kann man anfangs fast nichts erkennen, aber es mutet eher wie ein verrücktes Museum an. Kutens Bensinmacka (Kutens Tankstelle) ist aber, wie mir der Drummer verrät, niemals eine Tankstelle gewesen. „Just fuel for the soul!“ Er macht noch ein bisschen Musik an, natürlich Rock’n Roll. Total verrückt, was wir hier gerade erleben! Ich hatte zwar insgeheim gehofft, dass ich diesen Platz finden würde, aber dass wir dann auch noch so zufällig darauf stoßen, hätte ich nie gedacht.


Irgendwann reißen wir uns dann doch los und radeln weiter, bis wir das nächste Highlight entdecken: das Bergman-Museum, das Ingmar Bergmans Wirken auf Farö und natürlich die verschiedenen auf Farö gedrehte Filme, u.a. „Szenen einer Ehe“, würdigt. Natürlich müssen wir rein und lassen die Exponate, viele Fotos und auch Filmsequenzen auf uns wirken. Leider sind die deutschen Übersetzungen zu den Exponaten nicht sehr hilfreich. Trotzdem finden wir alles sehr imposant. 


Filmkamera aus den 60er Jahren!

Auch hier fällt es uns schwer, uns loszureißen. Aber wir haben ja auch noch ein Stück zu radeln bis zum Hafen und mein Fahrrad muss ich ja auch noch zurückbringen.

Abends lassen wir den Tag mit so vielen Eindrücken, die eigentlich auch schon für drei Tage mindestens reichen würden, bei einem Glas Wein Revue passieren. Ich kann mich neben den vielen Erlebnissen glücklich schätzen, die beiden getroffen zu haben und diese Dinge mit ihnen teilen zu können. 

Um auf die Titelfrage zurückzukommen: Was haben die drei gemeinsam? Sie alle sind auf der kleinen Insel Farö, nördlich von der Hauptinsel Gotland, zu finden! Gut, dass es so weit weg ist, ansonsten würden auch hier die Touristenströme dem eher herben Charme der Insel ein schnelles Garaus bereiten.