Meine Lieblingsbäckerei in Ystad – Marie Cafeet – macht leider erst um neun Uhr auf. Also wird es nur der schnelle Einkauf incl. Brötchen beim Coop. Heute soll es nach Klintholm auf Mön gehen. Schlagartig wird mir bewusst, dass das dieses Jahr der letzte Hafen in Schweden war!
Es wird am Ende wieder 10:20 Uhr, als ich die Leinen löse. Was macht der eigentlich immer so lange? War doch zumindest schon vor 9 Uhr in der Stadt! Also, das ist leicht und schnell erklärt: Erst mal in Ruhe frühstücken, für mich die wichtigste Mahlzeit des Tages, die ja häufig mit Ausnahme eines kleinen Snacks auch durchaus schon mal bis zum Abend im nächsten Hafen halten muss. Dann die übliche Bordroutine: Abwaschen, Abtrocknen, Wegstauen, Segelpersenninge ab, Stromkabel einholen, Cockpittasche mit Handy, Fotoapparat, Segelhandschuhen, Sonnencreme und Lifeline klar machen. Ach ja, und dann war da noch was mit 00. Da ich meistens nichts davon wegdelegieren kann, es sei denn, ich stelle mich vor den Spiegel und sag „jetzt bist du aber mal dran mit abwaschen etc.“ wird ein Punkt nach dem nächsten abgearbeitet.
Dafür stehen aber auch schon 10 Minuten nach dem Ablegen die Segel. Bei einem ENE-Wind mit ca. 4 – 5 Windstärken geht es gleich sehr zügig voran. Zwischen 6,5 und manchmal auch mehr als 7 kn, im Surf die Welle runter auch schon mal mit der 8 auf der Anzeige rauschen wir entlang der Küste von Skåne (Schonen). Schnell kommt der Leuchtturm Kuillagrund vor Trelleborg in Sicht; die Fähren von und nach Trelleborg sind schon länger zu sehen. Schon bald darauf kommen voraus zunächst mal komisch erscheinende Gebilde in Sicht. Es dauert etwas, bis ich realisiere, dass das die Sockel der Windgeneratoren für den neuen im Bau befindlichen Windpark mit über 100 Mühlen sein müssen. Und schon stellt sich die Frage: „Muss ich da komplett drum herum segeln? Oder kann ich auch da zwischendurch?“ Von den Abständen zwischen den Sockeln problemlos machbar, Warngebietstonnen liegen hier keine, Arbeitsschiffe sind zumindest in dem Bereich, in dem ich durchfahren möchte, auch nicht in Sicht. Also durchfahren! Weit in Lee von mir werden mit einem Kabelleger Kabel verlegt. Ansonsten ist alles ruhig.
Erfreulicherweise hat sich der Wind nach kurzer Schwächephase schnell wieder zurück gemeldet. Inzwischen ist Möns Klint in Sicht und leuchtet auch mit der abendlichen Beleuchtung aus Westen bezaubernd. Weit an Steuerbord geht noch mal eine deftige Regenschauer nieder, die uns aber verschont. Dafür gibt es dann zum Schluss noch mal einen Regenbogen, den ich in dieser Intensität sehr selten mal erlebt habe. Wow! Leider kann man das mit der Kamera nicht einfangen…
Möns Klint vor dem Abendhimmel
Regenbogen vor Klintholm
Nach 9 ½ Stunden und knapp 56 sm (ca. 104 km) liegt Motivatie am Steg in Klintholm, das wie auch schon die anderen Häfen vorher vergleichsweise wenig Boote beherbergt.
Da für den nächsten Tag wieder ein langer Schlag von knapp 60 sm durch den Storström und das Smalands Fahrwasser bis nach Omö geplant ist, fällt das touristische Landprogramm denkbar knapp aus: kurzer Spaziergang zu Bezahlautomaten und wieder zurück – das wars! Ich bin gespannt, ob die Windvorhersage recht behält. Anfangs soll es W – WNW-Wind geben, der dann später auf SW drehen soll, was für die Fahrt durch das Smalands Fahrwasser natürlich perfekt wäre.
Und tatsächlich: Von Klintholm geht es mit dem angesagten Westwind bis vor die Einfahrt zum Grönsund und bereits vor Harbölle, von wo aus man fast westlichen Kurs steuern muss, dreht der Wind – vermutlich durch die Landmassen abgelenkt – auf Südwest, so dass ich ohne Probleme und zusätzliche Kreuzschläge Stubbeköbing passieren und die Brücke ansteuern kann. Für die Nichtsegler: Wenn man kreuzen muss, d. h. gegen den Wind segeln, verdoppelt sich die zurückzulegende Distanz bzw. die Zielgeschwindigkeit halbiert sich.
In der Tat muss man sich streng an die betonne
Fahrrinne halten, weil es doch einige flache Stellen gibt, die mit dem 1,70 m
betragenden Tiefgang der Motivatie kritisch werden können. Hier legt der Wind –
nicht ganz unerwartet – auch wieder zu, dreht aber gleichzeitig sogar noch
etwas weiter auf SSW, was für meinen zu segelnden Kurs günstig ist. In den Böen
legt sich das Schiff inzwischen so stark auf die Seite, dass wir die Fußreling
durchs Wasser ziehen. Zeit für ein Reff. Gerade rechtzeitig ist es eingebunden,
als der Wind wiederum nochmals eine Schüppe drauflegt. Motivatie rast jetzt mit
permanent über 7,5 kn durchs Smalandsfahrwasser, das jetzt auch beachtliche
Wellen aufweist, nachdem die Landabdeckung durch die kleinen Inseln wie Femö, Fejö
und Veijrö nicht mehr gegeben ist. Zu allem Überfluss fallen kräftige
Schauerböen über uns her. Die schon in Sichtweite liegenden Inseln Omö und
Agersö sind wieder verschwunden. In einer besonders heftigen Bö nehme ich das
Großsegel ganz weg und laufe nur mit der Fock trotzdem immer noch fast genau so schnell. Der Wind fegt
jetzt mit geschätzt 7 Windstärken, in Böen auch schon mal mehr, über uns
hinweg. Wenigstens der Regen hat jetzt aufgehört. Von Steuerbord taucht die
Fähre von Agersö nach Omö auf. Vor der Ansteuerung der Hafeneinfahrt nach Omö
muss die Fock dann runter, die letzten 20 Minuten geht es nur unter Motor, den Wind
genau von vorne, langsam gegenan.
Auch der Hafen von Omö ist ziemlich leer. Gut
für mich, den so kann ich längsseits am Steg anlegen, ohne ein komplizierteres Anlagemanöver
mit Seitenwind und Ausbringen der Heckleinen auf zwei Pfähle fahren zu müssen. Das
Landgangsprogramm nach gut 10 Stunden und gut 58 sm ähnelt dem von Klintholm: Gang
zum Kassenautomaten, der gerade mal 150 m entfernt ist und zurück an Bord. Zum Abendessen
gibt es Bratkartoffeln mit einem Stück Entrecote. Wie gut, dass ich noch
bereits fertig gekochte Kartoffeln in Bratkartoffelgröße habe. So geht es
einigermaßen schnell, denn außer einem Apfel, einer auf die Schnell
geschmierten Stulle und ein paar Keksen gab es unterwegs keine Verpflegung.
Auch der nächste Tag wird wieder ein Segeltag nach meinem Geschmack. Zwar sind nur knapp 35 sm sind bis Svendborg zurückzulegen, aber mit Vorsegelwechsel, Reffen des Großsegels und einer Zielkreuz in den Svendborgsund (Training für die Regatta Silverrudder!) trotzdem herausfordernd und spannend, aber mit Spaßfaktor!
In Svendborg treffe ich Samer und Trixi, die ich
vor zwei Jahren beim Silverrudder kennen gelernt habe. Sie haben ihre „Big
Lebowski“ schon mal vorsorglich nach Svendborg gesegelt, nachdem ihnen der Wind
im vergangenen Jahr die Teilnahme an der Regatta vermasselt hatte. Die Freude
auf beiden Seiten war entsprechend groß. Bei einem Kaffee und Kuchen bei mir an
Bord lassen wir die Erinnerungen an das Silverrudder 2018 noch einmal aufleben.
Zum anderen erzählt mir Samer von seiner Teilnahme an der Transquadra, einer
Transatlantikregatta mit zwei Etappen. Die erste Etappe von Lorient nach
Madeira und die zweite von Madeira nach Martinique. Das ganze zu zweit auf
einer JPK 960, also geringfügig größer als meine Motivatie, aber natürlich viel
schneller.
Dagegen ist Silverrudder ja ein gemütlicher Nachmittags-Kaffeetörn!
Worauf trinke ich? Einen geglückten Törn, der bald zu Ende geht!?
Und schon ist er da, der letzte Tag meines
Sommersegeltörns nach Gotland. Bei einem frischen Westwind heißt es, aus dem
Svendborgsund zu kreuzen, bis man dann entweder vor oder nach Avernakö nach
Süden abbiegen kann und dann einen schnellen Kurs mit Windeinfall um die 60
Grad einschlagen kann. Die Svendborgsundbrücke wird noch unter Motor passiert,
doch kurz danach gegen die Segel hoch und die Kreuz beginnt. Es läuft sehr gut,
zumal ich am Samstag in Svendborg die Oberwanten nochmals nachgespannt habe. Nachdem
das Fahrwasser etwas weiter geworden ist und der Trichtereffekt sich gelegt
hat, wird die kleinere Arbeitsfock erst mal gegen die High Aspect-Fock
gewechselt. Danach läuft es auch gleich noch mal besser. Entgegen meiner
üblichen Route vor Avernakö durch ein schmales Fahrwasser nach Südwesten zu
steuern, entschließe ich mich, die Kreuz bis hinter Avernakö durchzuziehen und
dann zwischen Avernakö und Lyö nach Süden auf einen Kurs von ca. 210 °
abzufallen. Das ist insofern m. E. günstiger, als der Windeinfallswinkel dann
günstiger ist und bei dem Westwind ist die Welle zwischen Avernakö und Ärö doch
sehr beachtlich. Nach immerhin 16 Wenden kann ich endlich ein wenig abfallen
und schon geht die Post ab. Fast permanent 6,5 kn auf der Logge zieht Motivatie
Richtung Kegnäs. Kurz vorher wird dann doch wieder ein Reff fällig, zumal man
erfahrungsgemäß vor der Flensburger Förde bei Wind aus West auf einiges gefasst
sein muss. Bis kurz vor Schleimünde geht es mit durchgängig 7 kn und mehr dem
Ziel entgegen. Fast schon wieder schade, als ich nach 7 Stunden die Segel
bergen muss, denn in die Schlei geht es bei Westwind wirklich nur unter Motor. Die
Schlei scheint gerade mal wieder leer zu laufen. Ich habe mit massivem
Gegenstrom zu kämpfen. So dauert es von der Einfahrt bis zum Hafen von Henningsen
und Steckmest fast eine Stunde! Aber schließlich ist es geschafft. Motivatie
liegt nach knapp 8 Stunden und 48 sm wohlbehalten am Steg.
Und nun noch die unvermeidliche Statistik:
Genau 49 Tage, d.h. 7 Wochen war ich unterwegs. Davon
gab es 32 Segeltage, d.h. zwei Drittel Segelzeit, was ich nicht schlecht finde.
Zurückgelegt habe ich 1.127,6 sm. Dies entspricht 2.088 km. Der längste
Tagestörn war der von Burgtiefe/Fehmarn nach Rönne/Bornholm mit 139,3 sm in 22
h 45 min. Der kürzeste mit 9 sm war von Karlskrona nach Norra Bollö. Viele
Häfen waren bekannt, aber es gab auch insgesamt 14 neue Häfen bzw. Ankerplätze
oder sonstige Anlegemöglichkeiten.
Viel wichtiger als die zurückgelegten Seemeilen
waren die Eindrücke und Erfahrungen während der Reise und insbesondere
Begegnungen mit vielen netten Seglern. An erster Stelle sind hier Gerd und Anke
von der „Emaloca“ zu nennen, die mich während der Umrundung von Gotland
immerhin fast zwei Wochen begleitet haben, wofür ich sehr dankbar bin. Sehr
nett fand ich Ernst (Ankes Cousin) mit seiner Frau Ingrid, die ich in Lickershamn
kennenernen durfte. Interessant war die Begegnung mit Rune in Rönne, ebenfalls
Silverrudder-Teilnehmer, auf den ich mich jetzt schon freue, ihn in Svendborg
in wenigen Tagen wiederzusehen. Unerwartet war ebenso das Treffen von Franz und
Mareike von der „Holly Golightly“, die aus meinem Heimathafen in Kappeln
kommen. Ebenso Andreas und Angelika mit ihrer „Emma“, einer Hornet 32 mit
Liegeplatz ursprünglich in Maasholm. Hinzu kommen ungezählte Begegnungen mit
namentlich nicht bekannten Seglern aus Deutschland, Schweden, Dänemark und den
Niederlanden (die trifft man ja auch wirklich überall).
Und dann gab es noch das finnische Ehepaar mit
ihrer Baltic 43, die in Lickershamn neben mir lagen. Er erzählt mir von einem
guten Freund, der nach langer Abstinenz und einem unerwarteten Todesfall in der
Familie letztlich die Zustimmung seiner Frau bekam, sich doch endlich wieder
ein Segelboot zuzulegen. Und was hat er gekauft? Eine Winner 9.50! Ich frage
ihn, wie lange das denn so her wäre. Evtl. 5 – 6 Jahre? Ja, ja, könnte so sein,
wieso? Und dann erzähle ich ihm von einer Begebenheit im Juli 2014 auf
Terschelling. Dort lief ein Segler immer auf Höhe unseres Bootes den Steg auf
und ab und fasst sich endlich ein Herz und fragt mich, wie zufrieden ich denn
mit meiner Winner wäre und will noch so einige Details erfahren. Er hat sich
nämlich gerade eine gebrauchte Winner 9.50 auf der Werft in Enkhuizen gekauft. Es
ist die „Windekind“ mit hellblauem Rumpf und er ist gerade mit seinem Schwager
auf Überführungstörn nach Kiel, von wo aus er anschließend weiter nach Finnland
segeln wird.
Meinem Nachbarn klappt die Kinnlade runter und
er bestätigt mir, dass es genau diese Winner ist, die ich beschrieben habe. Und
als ich ihm erzähle, dass ich vor zwei Jahren im dänischen Bogense rein
zufällig auch noch den Schwager getroffen habe, der mir erzählt, dass sein
Schwager ebenfalls eine Winner besitzt, die allerdings in Finnland liegt, und
ich ihm die gleiche Story von der Begebenheit auf Terschelling erzähle, kommt
er aus den Staunen überhaupt nicht mehr raus und stammelt mehrfach „unbeleivable“.
Ob er denn ein Bild von mir und meinem Boot machen dürfe, das er seinem Freund
schicken möchte.
Manchmal frage ich mich, wie glaubwürdig diese Geschichte auf den außenstehenden wirkt. Und noch mehr frage ich mich: Wieso triffst ausgerechnet du auf solche Leute, und wieso gerade hier? Es wird wohl ein Rätsel bleiben, zeigt aber, wie klein die Welt manchmal sein kann.
Manchmal frage ich mich, wie glaubwürdig diese
Geschichte auf den außenstehenden wirkt. Und noch mehr frage ich mich: Wieso
triffst ausgerechnet du auf solche Leute, und wieso gerade hier? Es wird wohl
ein Rätsel bleiben, zeigt aber, wie klein die Welt manchmal sein kann!
Und last but not least: Ich habe die sieben Wochen quasi unbeeinflusst von CoVid19 genießen können. Abstand ja, Maske nein! Und an Bord sowieso immer von frischer Luft umgeben und der nächste Segler meterweit entfernt, auf See hunderte Meter.
Es verdeutlicht einmal mehr, wie
groß die Freiheit auf See wirklich ist. Gleichzeitig werden in dieser von
Corona geprägten Zeit aber auch die Grenzen der Freiheit klar aufgezeigt, wo es
z. B. heißt, dass man nach Lettland und Estland nicht einreisen darf, wenn man
vorher in Schweden war!